NOTHING ELSE MATTERS - Die Geschichte von Gypsy
(lx/hc) Diese Geschichte handelt von Gypsy, einem der Opfer des Projekts Paladin, von seinem Leben in den Schatten und Sterben für seine Chummers, die ihn nie aufgegeben hatten. Lynx hat die tragische Story seines Luxe-Bruders anhand eigener Erinnerungen, schriftlicher Dokumente von Gypsy und dreier geheimer Militär- und Sichtec-Dateien nachgezeichnet, um sein Andenken zu wahren und diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die für seinen Leidensweg und Tod verantwortlich sind: Die Allianzstreitkräfte, Konzerne und Wissenschaftler, die in ihrer Gewissenlosigkeit auch vor Menschenversuchen nicht Halt machten. Vor allem aber ist diese Geschichte ein Dokument dafür, daß es in den Schatten immer noch Menschen gibt, die ohne Gegenleistung für ihre Chummers einstehen. Einfach, weil sie Chummers sind. Und weil am Ende nichts anderes zählt.
"Gypsy starb vor über einem halben Jahr, am 10. April 2106. Erst jetzt schaffe ich es, seine Geschichte zu schreiben. Ich könnte mit den vielen Problemen kommen, die ich mit den Luxen nach Gypsys Tod, seiner Befreiung durch und Aufopferung für uns, zu lösen hatte: Die Sichtec-Schlampe Terry Applinger, der Weg in die Schatten, der neue Luxe-Turf in der Bremer Jacktown. Daran lag es sicherlich auch, aber entscheidend war etwas anderes: Nein, kein "Abstand gewinnen", keine "Verarbeitung der Ereignisse" oder sowas. Mir wurde vielmehr bewußt, daß Gypsy am Ende des Weges gestorben war, den ich und die Luxe gerade erst eingeschlagen hatten: Ganz und gar in den Schatten zu leben, gesucht und gejagt zu sein. Bevor ich nicht selbst ein Stück dieses Weges gegangen war, konnte ich Gypsys Geschichte einfach nicht so erzählen wie sie erzählt werden muß. Erst jetzt, nach über einem halben Jahr in den Schatten, bin ich endlich soweit.
Ich lernte Gypsy am 09. Mai 2103 bei der Eröffnung des Lux kennen. Es waren die Hochzeiten der Bremer Alkohol- und Tabakrationierung und ich kam mit Lupo frisch aus Wien im Süddeutschen Bund, um erstmal "vorübergehend" mit unserem damaligen Barkeeper-Service für den Inhaber Grim die Theke zu schmeißen. Und natürlich, um mit Alk zu handeln. War ja damals das ganz große Geschäft in Bremen. Gypsy war für die Security angeheuert worden. Er fiel mir erstmal nicht besonders auf, schien einer dieser unauffälligen wie professionellen Militärtypen zu sein, auf die man sich verlassen kann solange sie ihre Kohle kriegen. Als ich ihn wegen seiner Camo-Klamotten ansprach, machte er nur ein paar Andeutungen, erzählte was von einem nebulösen Ex-Arbeitgeber. Ich dachte mir das übliche: Ex-Militär, Straßensam, hat Mist gebaut und arbeitet jetzt zum Überleben als Rausschmeißer. Da fragt man nicht mehr so genau nach. Außerdem waren es wilde Zeiten: Neuer Plex, neue Leute, neue Geschäfte und schließlich pachteten Lupo und ich den Barbereich des Lux und eröffneten den Club Cyberkink. Gypsy blieb ebenfalls und stieg mit "Roland Security" in das Lux ein.
Auszüge von Gypsys Tagebuch, Anfang 2103 bis Anfang 2104:
<01> Tagebuch. Eigentlich eine bescheuerte Idee. Wird mir aber helfen, den Kopf wieder klar zu bekommen. Zwölf Monate sind einfach weg. Verdammte Cyberware. Und wenn die mich wieder in die Finger bekommen ende ich endgültig als "Gemüse" in der "Langzeit-Rekonvaleszenz".
<02> Wohin jetzt? Habe versucht, Michael zu erreichen. Die Com-Nummer ist nicht mehr aktuell, und via Cybermail bekomme ich auch nur eine "Message returned to sender"-Fehlermeldung, sowohl von der privaten als auch von der anderen. Verdammt, wo steckt der Kerl?
<03> Verdammtes Nervenzittern! Hab's erst im zweiten Anlauf geschafft, das Diazepam einzunehmen. Jetzt geht es langsam wieder.
<05> Nahezu perfekt. Ein Club, das LUX. Suchen Sicherheitspersonal. Habe mich da beworben. Mit meiner "Vorbildung" sollte das machbar sein - trotz der Nervenschäden.
<07> Erstaunlich. Allein schon wieder "draußen" zu sein macht den Kopf schon freier. Mein Diazepam geht aber langsam zur Neige. Muss mal mit Lynx reden deswegen.
<09> Nach wie vor viel zu tun mit der Sicherheit. Seit Grim mich zum "Subunternehmer" gemacht hat komme ich kaum noch zu was anderem. Darf die Nachforschungen nicht vernachlässigen!
<10> Gestern nacht war schlimm. Hab für das Diazepam 3 Ansätze gebraucht. Und die Kopfschmerzen haben mich fast umgehauen. Hab mir fast die Seele aus dem Leib gekotzt; immerhin: kein Blut.
<12> Scheiße, die Kopfschmerzen bringen mich noch um. Aber immerhin kriege ich das Händezittern mit dem Gabapentin in den Griff.
<13> Eigentlich 'ne ganz nette Truppe hier. Lynx und Lupo schmeissen die Bar, Socke macht das Spielkasino, und Hein ist unser "Küchenchef". Jones hat jetzt auch ihren eigenen Laden: Matrix- und Elektronikkram. Muss mal mit ihr reden...
Die "Unternehmergemeinschaft" im Lux wuchs zusammen. Auch mit der Undercover-Agentin Terry Applinger alias Jones - aber das ahnte damals noch keiner. Am 05. Februar 2104 gründete ich die Luxe. Natürlich war auch Gypsy mit dabei. Ich kam zwar immer super mit ihm aus, aber mit der Gründung der Gang war endlich der Zeitpunkt gekommen, an dem ich weiter wegen seiner Vergangenheit nachhaken mußte. Und ich bekam Antwort.
Nachricht von Gypsy, 17. März 2104:
Hose runter... wie man so schön sagt. Also gut, Präsi, du hast recht. Ich bin jetzt in der Gang, und ein Anführer sollte immer über seine Leute bescheid wissen.
Also, ich war beim Militär. Hab mich dann für ein Projekt freiwillig gemeldet.
Die haben einen ganzen Zug mit experimenteller Hardware ausgerüstet; allerdings ist irgendwas furchtbar schiefgelaufen dabei. Nach dem ersten Test fingen die ersten von meinen Jungs an durchzudrehen oder einfach umzukippen. Ein Arzt hat mal versucht, mir das zu erklären; irgendwas an der Verdrahtung war nicht ganz ausgereift, die Dinger sind quasi durchgebrannt. Ich hatte noch "Glück" dabei; bei Streß werde ich 'n bisschen zittrig, wenn ich mein Medikament nicht genommen habe, und mit den Kopfschmerzen kann ich inzwischen ganz gut leben. Diejenigen, die am Leben geblieben sind wurden dann zur Reha quasi in den "Ruhestand" versetzt. Es gibt da ein nettes kleines Hospital irgendwo in Niedersachsen, mit hübschen Schwestern, und du bekommst deine Drogen frei Haus... zumindest, soweit ich mich erinnern kann. Die letzten zwei Jahre vor Bremen sind 'n bisschen verschwommen.
Dann haben die irgendwas an der Medikamentierung geändert... oder jemand hat vergessen, uns was in den Cocktail zu tun. Keine Ahnung. Ich und fünf andere, die es auch nicht so schwer erwischt hatte, sind wieder richtig "wach" geworden - und abgehauen. Wir haben Wochen gebraucht, um halbwegs wieder auf die Beine zu kommen. Dann haben wir uns getrennt.
Ich hatte noch 'nen alten Kumpel bei der Truppe, dem ich vertraute. Hab den kontaktiert, und der hat mir ein bisschen Kram besorgt. Musste aber schnell gehen, deswegen hatte ich auch diese exquisite Klamottenauswahl, als ich in Bremen angekommen bin... so langsam bin ich aber "draußen" angekommen.
Da wir während der Reha in den Akten schon nicht mehr "offiziell" geführt wurden weiß ich nicht, ob da irgendwas an die Sichtec weitergegeben wurde. Ich vermute es eher nicht, aber man weiß ja nie...
Könntest du mir übrigens Luckys Nummer geben (oder ihn selbst mal fragen)? Mein Vorrat an Topamax ist komplett aufgebraucht... Irgendein Antikonvulsivum brauche ich - Valium, Librium oder ein anderes Benzodiazepin... kurzfristig gehen auch diese Scheiß-"Lazerguns", aber bei dem ganzen Dreck, der da sonst noch drin ist würde ich das gerne vermeiden.
Also, wir sehen uns. Piss die Wand an.
Gypsy
Da wußte ich dann, daß Gypsy ein Deserteur und Versuchsobjekt der Allianzstreitkräfte war. Auf der Flucht und gezeichnet. Aber da seit über einem Jahr alles gut gelaufen und ihn keine MilSec oder andere Häscher aufgespürt hatten, ging ich davon aus, daß sein Abtauchen erfolgreich und er weitgehend sicher war. Seine Beschwerden ließen nach der Behandlung eines Straßendocs auch sichtbar nach und außerdem hatte er ja uns, die Luxe. Wir zeigten den Guns ihre Grenzen und arrangierten uns mit ihnen, machten gute Geschäfte und das Lux schien mit den Luxen goldenen Zeiten entgegen zu sehen. Alles lief senkrecht, steil nach oben.
Auszüge von Gypsys Tagebuch, Anfang bis Mitte 2104:
<15> So - wir sind jetzt also die Luxe. Lynx hat die Gang gegründet; dürfte unsere Chancen hier in der Gegend auf jeden Fall verbessern. Erstes Einsatzziel: Die Schwachköpfe der "Guns" in ihre Schranken weisen. Tut gut, wieder zu einer "Truppe" zu gehören. Habe Lynx in groben Zügen meine Geschichte erzählt - immerhin ist er jetzt sowas wie mein "Vorgesetzter". Hoffe, das war kein Fehler - auch wenn's nötig war.
<16> Hab mit Jones über den RFID-Chip geredet. Schätze, ich hab dabei ein bisschen viel gequatscht - die verdammten Medikamente schlagen mir echt auf die Konzentration. Na ja, passiert ist passiert. Ich hoffe, sie haut mich nicht in die Pfanne. Meinte, sie kann den Chip deaktivieren, würde aber Zeit brauchen, um die richtige "Ware" dafür zu beschaffen. Wenn das klappt, dann schulde ich ihr was, und zwar nicht nur 'nen kleinen Gefallen.
<17> Dieser "Prof C" ist wirklich total durchgeknallt! Hätte ich das vorher gewusst, dann wäre ich wahrscheinlich nicht zu ihm gegangen. Hat das Smartlink-System irgendwie wieder hingekriegt, zumindest sieht's bisher so aus. Irgendwie fühlt es sich "besser" an. Die Kopfschmerzen sind fast weg und einen Anfall habe ich bisher auch nicht gehabt.
Am 03. September 2105 war es mit dem Aufstieg des Lux und der Luxe vorbei. Gypsy wollte sein Security-Geschäft erweitern und hatte mit der Betreiberin eines Ladens in Delmenhorst ein Treffen ausgemacht. Es schien "business as usual" zu sein, ich dachte mir nichts weiter dabei, schickte aber zur Sicherheit Hein als Verstärung mit. Doch Gypsy kehrte von diesem Treffen nie zurück. Hein konnte lediglich berichten, daß die MilSec der Allianzstreitkräfte ihnen aufgelauert und nur Gypsy gezielt festgenommen hatte. Er war seinen Häschern nach fast drei Jahren Flucht in die Falle gegangen. Schon am nächsten Tag taten wir Luxe einen Kontakt auf, der Insider-Informationen aus dem Allianzmilitär beschaffen und uns so bei Gypsys Befreiung helfen konnte. Denn das stand für uns völlig außer Frage: Wir würden unseren Bruder nicht im Stich lassen, sondern eher beim Versuch einer Befreiung allesamt draufgehen. So läuft das bei uns Luxen, im Gegensatz zu den Kommißköpfen der Allianz lassen wir tatsächlich niemanden zurück. Doch alles verzögerte sich: Nach dem Ende des Lux zogen wir nach Huchting & Woltmershausen um, mußten erst unseren neuen Turf unter Kontrolle bringen und natürlich Geld verdienen. Doch wir verloren nie unser Ziel aus den Augen, klapperten unsere Connections ab, beschafften Infos und Material. Und schließlich kamen wir an Gypsys beschädigte Paladin-Akte.
Download der Akte von Frank "Gypsy" Kersten:
Projekt PALADIN
Humanressourcen: 4440671-31
Nachdem wir alles erdenkliche an Informationen gesammelt hatten und sich uns das ganze erschreckende Bild des Paladin/Leonidas-Komplexes offenbarte, mußten wir dringend handeln und Gypsy dort herausholen. Aber wir brauchten eine Gelegenheit und endlich meldete sich unser Kontakt: Gypsy wurde in eine geheime Anlage nach Delmenhorst verlegt und dort konnten wir zuschlagen: Geringe Sicherheitsvorkehrungen, ein zeitgleich stattfindendes Manöver mit entsprechend verwaisten Kasernen und der Name und Aufenthaltsort einer Feldwebelin der Matrix-Bereitschaft waren ideale Bedingungen. Wir organisierten uns ein Safehouse auf dem Land in so einer Öko-Kommune von Neo-Hippies wo auch wir nicht weiter auffielen. Und am 08. April 2106 begann die Luxe-Operation "Gypsy Kings".
Tags zuvor hatten wir von unserem Kontakt die Info erhalten, daß Gypsy früher als geplant verlegt werden sollte, also bereits in der Nacht vom 08. auf den 09. April. Das durchkreuzte unseren Plan erheblich, da ich zum selben Zeitpunkt noch einen SPANK-Deal angesetzt hatte und den konnte ich schlecht absagen - zumal wir dringend Kohle brauchten, um die ganze Aktion überhaupt bezahlen zu können. Aber ich hatte eh das Gefühl, daß an der Sache was faul war und entschied, daß wir weiter wie geplant vorgingen und ein Teil von uns den mutmaßlichen Transfer lediglich observierte. Das erwies sich in dreierlei Hinsicht als eine sehr gute Entscheidung: Erstens erfuhren wir, daß nicht Gypsy, sondern ein gefangener Journalist verlegt und befreit wurde. Zweitens zeigte sich, daß es eine weitere an Gypsy interessierte Partei gab, deren Runner wohl den Köder geschluckt hatten und eine Befreiung des angeblichen Gypsy komplett versauten bevor echte Profis den Snoop herausholten. Und drittens hatten wir durch den SPANK-Deal endlich genug Geld in der "Gypsy Kings"-Kriegskasse und konnten weiter nach unserem ursprünglichen Plan vorgehen.
Am Abend des 09. April 2106 extrahierten wir die Feldwebelin der Matrix-Bereitschaft und holten aus ihr die Zugangsdaten für die geheime Anlage heraus, in der Gypsy sich befand. Noch in derselben Nacht startete unser Angriff: Ich legte über die Matrx von außen die Alarmsysteme lahm und entriegelte die Türen, danach stürmte unser Luxe-Team die Anlage. Alles wie aus dem Runner-Lehrbuch. Doch da bekamen wir am Matrix-Posten einen Anruf vom Team: Die Sache war schiefgelaufen, bis auf einen alle gefangengenommen worden - auch meine Lupo! Wir sammelten den Entkommenen ein und da meldete sich Lupo - schwer verletzt, aber lebendig und frei. Mir fiel der sprichwörtliche Stein vom Herzen. Nach ihrer Evakuierung rasten wir zu unserer Streetdoc-Connection und uns wurde bewußt, daß die Aktion gescheitert war und wir nicht mehr die Kräfte hatten, um unsere Leute wieder herauszuhauen. Bis diese Textnachricht kam. Aus der Anlage. Von unseren gefangenen Brüdern. Dort ging etwas vor sich. Wir mußten zurück! Noch während der Fahrt bestellten wir den Streetdoc in die vermeintliche "heiße Zone", doch als er mit uns dort ankam erwartete uns ... Gypsy ... mit unseren befreiten Leuten! Das Militär hatte ihn tatsächlich wieder zu einem dieser Paladin-Cyberzombies gemacht, aber als er seine gefangenen Befreier sah, erinnerte er sich wieder wer er wirklich war. Und tötete im Alleingang die gesamte Wachmannschaft der Anlage. Aber er war verändert. Als ich mit ihm sprach, wollte er zurückbleiben, schien mit seinem Leben abgeschlossen zu haben. Ich schob das auf seine noch aktiven Implantate und überzeugte ihn, mit uns zu kommen. Luxe und Streetdoc machten sich auf zum Safehouse.
Dort versorgten wir unsere Verletzten und mir fiel siedend heiß ein, daß Gypsy verwanzt sein konnte. Also schickte ich ihn mit zweien von uns "auf Tour", damit er in Bewegung blieb. Ich saß an Lupos Bett als Gypsy anrief: Er müsse dringend mit Jones sprechen. Jetzt. Am Safehouse. Unter vier Augen. Alles Reden nutzte nichts, Gypsy war davon einfach nicht abzubringen. Also stimmte ich zu. Gypsys zwei Begleiter fuhren in der Zwischenzeit den Streetdoc zurück und sollten danach Gypsy wieder abholen. Ich hatte nicht nur deswegen ein komisches Bauchgefühl und als Gypsy draußen im Wagen mit Jones sprach, zog ich mich um und pumpte Lupo mit soviel Drogen voll, daß sie zumindest wieder gehen konnte. Da klopfte es an unserer Tür und dort stand Gypsy. Verletzt. In seiner blutverschmierten Hand hielt er eine ID, die er mir auf mein ungläubiges "Jones? Aber warum?" mit den Worten "Sie war nie eine von uns!" übergab. Es war ein Dienstausweis der Sichtec AG Hamburg-Lübeck, ausgestellt auf den Namen "Terry Applinger, Sicherheitshauptkommissarin". Die Schlampe war ein Undercover-Cop! Gypsy hatte die Dienst-ID bei ihrer Durchsuchung in der Militäranlage wohl gesehen bevor er sich seiner selbst wieder bewußt wurde. Seine Erinnerung kam danach nur langsam zurück und deswegen wollte er so dringend mit Jones sprechen. Weil er ahnte, daß mit ihr etwas faul war.
Es war höchste Zeit, zu verschwinden. Gypsy hatte sich schon um Jones gekümmert, sie lag in ihrem Wagen. Da das Auto vermutlich verwanzt war, flohen wir zu Fuß. Und da kamen sie auch schon, Jones' Verstärkung: "Sichtec! Keine Bewegung!". Wir liefen mit der verletzten Lupo in den Wald. Gypsy blieb zurück. Ich rief noch nach ihm, aber er hörte mich nicht mehr. Im Schein der wild tanzenden taktischen Lichter sah ich, daß Gypsy uns zum dritten und letzten Mal die Ärsche rettete. Er gab sein Leben für unsere so wie wir unsere für ihn riskiert hatten. Er war noch einmal der Paladin, aber aus freiem Willen und als einer von uns ... den Luxen. Wir sterben nie. Alles andere zählt nicht.
Auszüge des Sichtec-Berichts über den Einsatz am Safehouse, 10. April 2106:
SOK Carstens gab zu Protokoll, dass die Flüchtigen Unterstützung erhielten. SOK Marquardt und SOK Carstens mussten die Verfolgung zunächst abbrechen, da eine weitere Person vom Rand des Weges aus das Feuer mit einer leichten Maschinenpistole eröffnete [später als Frank KERSTEN identifiziert]. Während des kurzen Feuergefechts wurde KERSTEN mindestens 15mal getroffen, davon zweimal in den Kopf. Trotz der tödlichen Verletzungen ermordete KERSTEN SOK Marquardt mit einem gezielten Schuss in den Hals, als dieser den Flüchtigen nachsetzen wollte. Die nachrückende Verstärkung neutralisierte KERSTEN endgültig; eine Verfolgung der Flüchtigen war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich.
[...]
Etwa 30 Minuten nach Beginn des Einsatzes am Haus der Zielpersonen fuhren drei Fahrzeuge mit militärischer Kennung vor. Einsatzleiter SHK Paulsen wurde von seinen Vorgesetzten informiert, den Militärs freie Hand zu lassen und zu kooperieren. Während der kommandierende Offizier des Militärtrupps, Major CLAUSEN, den Einsatzleiter zum Verlauf des Schusswechsels mit KERSTEN befragte, wurde dessen Leiche von vier Personen in Ganzkörperschutzanzügen in einen der Transporter verladen.
Auszüge des Berichts über die Obduktion von Gypsys Leichnam, 10. April 2106:
Zeitpunkt des Hirntodes: 0345 am 10.04.2106
Ende der biometrischen Datenübertragung: 0842 am 10.04.2106
[...]
Implantierte Cyberware:
- IBM 5009 Mil-CC (induktiv): Auch nach dem Hirntod des Objekts noch operabel und ansprechbar
- IBM 92-05 Combat Node: Durch ein 12,5 mm-Projektil unbrauchbar geworden. Auslesen der Speichereinheit des IBM 92-05 Combat Node nicht möglich, da ein Teil der Einheit (rechtes Jochbein) durch ein Projektil zerstört wurde
- Terratech Inc. Subkutanpanzerung mod 23: zerstört
- IBM-Siemens SmartLinkUnit "Epsilon" 101b: funktional
- Atlas-KMW Suppressor Unit Mod. 72 (Beta-Version): Ladung verbraucht
[...]
Multiple Schußverletzungen von Torso (21) und Schädel (3), verursacht von mindestens 3 unterschiedlichen Waffen.
18 Projektile im Torso und 2 im Schädel stammen aus ein und derselben Waffe, vermutlich ein Sturmgewehr.
Ein Projektil in der rechten Hüfte stammt, dem Riefenmuster zufolge, aus einer HK MPX-256 und wurde dem Objekt etwa 2 Stunden vor den letalen Verletzungen zugefügt. Drei weitere Projektile (eines im Schädel, in der IBM 92-05 steckend, zwei weitere im Torso) stammen aus einer modifizierten Waffe, vermutlich einer HK MPX-256 mit Nicht-Standard-Lauf (Beschußmuster ähnelt der Version der MPX-256, die von einigen KSK- und GSO-Einheiten sowie der Sichtec AG verwendet wird).
[...]
Hände in ungewöhnlicher Haltung (Major Clausen zufolge wurde 4440671-31 in dieser Haltung vorgefunden):
Zeige- und Mittelfinger der linken Hand waren überkreuzt, der rechte Daumen abgespreizt, und der Zeigefinger der rechten Hand deutete auf den Ansatz des linken Mittelfingers.
Metallica - Nothing Else Matters
Frank "Gypsy" Kersten, 17.04.2072-10.04.2106