MIT KANONEN AUF SPATZEN:
Bremer Sichtec massakriert Jugendliche!
Mindestens acht Tote bei Einsatz gegen Fun-Gang
Konzern rechtfertigt sich mit Kampf gegen Piraterie
Bremer Senatoren wollen Ermittlungen einleiten
(bt) Eigentlich sollte es nur eine Mutprobe sein. Doch der Spaß, in einen der Kontrollpunkte der Bremer Sperrwerke einzudringen, wurde für die 20 Jugendlichen zum bitteren Ernst. Die Sichtec ging mit roher Gewalt gegen sie vor und mindestens acht von ihnen werden so einen Spaß nie wieder erleben können! Der Sicherheitskonzern streitet ab, vom Alter der Eindringlinge gewußt zu haben und hielt den Übergriff angeblich für die Aktion von Piraten. Die Senatoren der Freihandelszone wollen jetzt ermitteln!
Bremen Strom - Die Nacht war wie geschaffen für diese Art von Mutprobe, zumindest dachte sich dies eine 20köpfige Fun-Gang. Der Mond verhangen, leichter Regen und Hochnebel - man hoffte offenbar, ungesehen vorgehen zu können. Das Ziel der Mutprobe war Sperrwerk Nummer 4, genannt "Martha". Mitten im Bremer Nirgendwo gibt es dort ein kleines Kontrollzentrum, umgeben von einer Mauer und mit nur wenig Personal gesichert - Rumpfbesatzungen sind hier bei ausbleibenden Sturmflut-Warnungen eher Regel als Ausnahme. Eine Art Aufnahmeritual für Beitrittskandidaten der Fun-Gang sollte es werden: Zwei "Neue" waren dabei, die diesen Spaß einmal miterleben sollten. Also machten sie sich im Schutze des Nebels auf den Fußmarsch entlang der Weser, immer in Richtung des abgelegenen Sperrwerks "Martha". Dort angekommen stiegen sie über die Mauer und betraten ungesehen das Kontrollzentrum. Zumindest glaubten sie das.
Um 04:34 Uhr ging gestern ein stiller Alarm im Sicherheitszentrum Mitte ein: Eindringlinge im Sperrwerk! Seit Jahren ist die Zuständigkeit für genau diese Einrichtung der Bollwerk GmbH strittig. Und so war auch gestern Morgen nicht klar, wer ausrücken würde. Schlußendlich setzte sich die Sichtec AG gegen die Einsprüche ihres Konkurrenten Hansec durch und begann den Zugriff. Es wollte sich kein Mitarbeiter der Sichtec dazu äußern, wie der Einsatz genau ablief. So bleibt nur, über die Ergebnisse zu berichten: Fünf der Jugendlichen waren bereits auf dem Gelände der Bollwerk GmbH tot und zwölf verletzt - viele davon schwer. Auf dem Weg in das Krankenhaus starben noch einmal drei der Fun-Ganger. Nur sechs der gesamten Gruppe wurden überhaupt in ein Krankenhaus eingeliefert, bei den anderen waren sowohl Identität als auch Aufenthaltsstatus nicht bekannt. Die überlebenden Gruppenmitglieder wurden in den Gewahrsam der Sichtec überführt und werden zur Stunde wohl noch vernommen. Interviews, so bekamen wir auf Nachfrage zu hören, werde es zu diesem Vorfall in den nächsten Tagen nicht geben. Begründung: Laufende Ermittlungen.
Nur auf der gestern kurzfristig anberaumten Medienkonferenz gab das Management der Sichtec AG Bremen-Niedersachsen eine knappe Stellungnahme ab: Die Einsatzkräfte hätten nicht gewußt, daß es sich nur um unbewaffnete Jugendliche gehandelt habe und zudem hätte die "Sicherheit des Transportweges Weser" auf dem Spiel gestanden. Man habe angenommen, daß es sich um einen "Übergriff von Piraten auf das Sperrwerk" gehandelt hätte. Daher griff man "schnell und effektiv" durch. Die Pressekonferenz endete nach drei Minuten - Fragen wurden nicht beantwortet. Unterdessen verurteilten die Senatoren Dietmar Thape (Wirtschaft und Häfen) und Jörg Kießler (Justiz und Verfassung) den neuerlichen Übergriff der Sichtec und bezeichneten ihn in einem Interview als unbegründet und überzogen. Sie kündigten an, eine Untersuchung der Vorfälle in die Wege leiten zu wollen.
So bleibt also nur die eigene Suche nach dem Hintergrund des Einsatzes und seinen politischen Folgen: Am 20.01.2103 griff die Sichtec AG schon einmal brutal durch (RUNNER'S RESORT berichtete). Wie auch damals sind heute der Einsatzort und die Mittel sehr umstritten. Der Abteilungsleiter J. Gueinzius, seinerzeit für den Alleingang gegen das Schlachthaus im Sonderbezirk Nord suspendiert, ist auch heute noch nicht wieder im Dienst und steht der Presse nach wie vor für Interviews nicht zur Verfügung. Aber anders als am 20. Januar stand gestern die Sicherheit der Weser zumindest theoretisch auf dem Spiel: Ein unvorsichtiges Vorgehen der Fun-Gang hätte durchaus zu einem Rückstau der Weser und damit einem Schiffahrtsausfall von über drei Stunden führen können. Warum der Bremer Senat gegen den größeren seiner zwei Sicherheitsdienstleister nun ausgerechnet jetzt derart scharfe Töne anschlägt, erscheint daher unverständlich und seltsam auffällig. RUNNER'S RESORT bleibt an der Sache dran!