DER ROTE OSTBUNKER-ZAR BEKENNT:
"Ich bin ein überzeugter sozialistischer Geschäftsmann"
Volkskommissar Sergej Nikolajewitsch Dragow spricht
exklusiv mit RUNNER'S RESORT über den Sozialismus,
die Sonderverwaltungszone und seine Siegesstrategien
(hc) Eine schillernde Figur der Osnabrücker Schattenwelt ist er schon lange. Nun herrscht Sergej Dragow auch noch als politischer Führer über die "Sonderverwaltungszone Ostbunker" - unter dem Banner der Roten Volksarmee (RVA), die seit Juli 2102 ganz Belmsk hochoffiziell als ihr Territorium beansprucht. RUNNER'S RESORT wollte wissen, was hinter der Fassade dieser gegensätzlichen Verbindung steckt - und der frisch gekrönte rote Zar des Ostbunkers stand uns Rede und Antwort.
RUNNER'S RESORT: Herr Dragow, noch vor nur wenigen Monaten waren Sie lediglich der Inhaber eines von übermächtigen Feinden umzingelten Ostbunker-Komplexes - seit dem 01. Juli 2102 aber ist die Enklave ein Teil des sogenannten "Bezirksdistrikts" Belm-Schinkel und Sie selbst sind Funktionär der Roten Volksmilizen geworden: Ein Zufall, Ihr Wunsch oder schlicht das Diktat der RVA?
Sergej Dragow: Ich habe an dem festgehalten, was mir wichtig war. Darum bin ich mit meinen Leuten noch hier und nicht weggelaufen wie ein Rudel feiger Schakale. Für Sie und viele Leser von RUNNER'S RESORT kommt meine Ernennung zum Genossen Volkskommissar vielleicht überraschend. Für mich nicht. Es hat sich gezeigt, daß ich genau der richtige Mann für diesen Posten bin und es ist eine große Ehre.
Bereits lange vor dem 01. Juli 2102 sollen Sie ja mit der RVA ein Schutzabkommen getroffen haben, um Ihre Geschäfte gegen die Allianz aus Russischer Mafia, La Cosa Nostra und Koyoten zu schützen. Der Preis: Ein drogenfreier Ostbunker. Auf wessen Initiative hin kam es zu dieser Vereinbarung und war sie so etwas wie der "Grundstein" für die Errichtung der "Sonderverwaltungszone Ostbunker"?
Im letzten Herbst mußten wir schnell reagieren. Ein starker Gegner hatte uns den Krieg erklärt und es kam zu einem gegenseitigen Aufeinanderzugehen mit der RVA. Nachdem sehr schnell ein gemeinsamer Feind erkannt wurde, haben die Genossen von der RVA und mein Führungsstab bald darauf viele Punkte gefunden, bei denen sehr ähnliche Vorstellungen vorhanden sind. Die Einstellung gegenüber dem "Wegsehen" bei Drogengeschäften gehört dazu. Ich freue mich, daß sich unsere Zusammenarbeit in der SVZO auf diesem "Grundstein" so gut entwickelt hat.
Stichwort "Sonderverwaltungszone": Ihre Geschäfte sind ja allgemein dafür bekannt, nicht unbedingt auf einer ideologischen Linie mit der RVA-Doktrin zu liegen. Welche "Sonderrechte" wurden Ihnen denn von der RVA zugestanden und, viel wichtiger, auf welche weiteren Freiheiten abseits des freien Drogenmarktes müssen Sie dafür seit dem 01. Juli 2102 noch verzichten?
Die Bekämpfung des Drogenhandels sehe ich keinesfalls als Einschränkung der Freiheit, sondern als meine Pflicht an. Allein die stille Duldung des Drogenhandels durch die Russenmafia hat dem Bezirksdistrikt nur Leid, Bandenkriege und Tod beschert. Darum freue ich mich, daß ich in diesem Kampf so eine gute Rückendeckung habe. Ansonsten laufen die Geschäfte weiter wie bisher. Was sollte auch an Entertainment, Gastronomie und gemütlichem Motel für die Bürger und Besucher der SVZO auszusetzen sein ?
...zum Beispiel Prostitution, Glücksspiel und Schutzgelder?
Zu diesen Themen kann ich Ihnen leider nichts weiter sagen.
Hand aufs Herz, Herr Dragow: Ein Schattengeschäftsmann alter Schule wie Sie als linientreuer sozialistischer Volkskommissar - wie paßt das zusammen? Sind Sie wirklich überzeugter Kommunist geworden oder leisten Sie nur Lippenbekenntnisse auf Druck der RVA, um damit auch weiterhin den überlebensnotwendigen Schutz vor Ihren zahlreichen Feinden zu erhalten?
Sie stellen das sehr plakativ dar. Müssen Sie ja auch. Ich wäre enttäuscht gewesen, wenn Sie diese Frage nicht stellen. Aber wenn Sie die Bürger, die hier leben, über mich befragen, werden diese Ihnen sagen, daß Sergej Dragow zu dem steht, was er sagt und was er tut. Sonst wäre ich überhaupt nicht mehr hier.
Ihre Antworten klingen schon sehr wie die eines Politikers ... würden Sie sich tatsächlich als überzeugten Kommunisten bezeichnen?
Ich bin ein überzeugter sozialistischer Geschäftsmann. Ich glaube, daß Sie sich vom Bild des stereotypen unwirtschaftlichen Kommunisten, diesem Schreckgespenst aus dem 20. Jahrhundert, trennen müssen.
Im Ostbunker findet man seit kurzem Ihre Portraits als "sozialistischer Führer" der "SVZO", der Bunker Club spielt vermehrt linkslastige Musik und im GoodNite Inn werden Gäste akribisch von der "Volkspolizei" erfaßt und überwacht; Gerüchten zufolge soll es sogar zur Gründung einer bewaffneten "Betriebskampfgruppe" gekommen sein. Offen gefragt: Wird der Bunker gerade einer umfassenden Gehirnwäsche unterzogen oder ist das nur der ganz alltägliche Wahnsinn einer "Volksrepublik Ostbunker"?
Im Bunker passiert nichts, was mir nicht paßt. Wie schon erwähnt, haben die Genossen der RVA und ich mehr Gemeinsamkeiten, als es für einen Außenstehenden sofort sichtbar ist. Und beachten Sie: Ich bin kein "Russen-Pate ohne russische Mafia" - ich habe damit nichts mehr zu tun. Zudem - wenn die von Ihnen erwähnten Maßnahmen so absurd erscheinen, frage ich: Was ist daran unvernünftig?
Nunja, Meinungsdiktatur und Personenkult haben in der Weltgeschichte bekanntlich noch nie zu irgendwie vernünftigen Ergebnissen geführt - warum sollte das Ihrer Meinung nach in der "Sonderverwaltungszone Ostbunker" jetzt anders sein?
In der SVZO gibt es weder Meinungsdiktatur noch Personenkult. Sie sollten uns mal wieder persönlich besuchen und sich ein genaues Bild machen.
Das werden wir ganz bestimmt. Ein anderes Thema: Der Unterweltkrieg in Osnabrück ist ja nicht erst seit dem 01. Juli 2102 merklich abgekühlt. Wie wird sich die neue politische Situation des Ostbunkers Ihrer Meinung nach auf den weiteren Verlauf dieses Konfliktes auswirken?
Der Feind muß und wird erkennen, daß er in der SVZO nichts mehr zu melden hat und trotz seiner angeblichen Überlegenheit hier als Unruhestifter keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen wird. Denn er kämpft hier nicht nur gegen mich, meine Leute und gegen die Volksmilizen - sondern gegen alle Bürger.
Streben Sie persönlich im Unterweltkrieg eher einen Erhalt des defensiven Status Quo an oder setzen Sie zukünftig wieder auf eine mehr offensive Strategie? Und sind Sie bei einer diesbezüglichen Entscheidung von der Zustimmung der RVA abhängig?
Wie Sie schon sagten: Wir befinden uns noch immer im Krieg. Und was sollen Sie übermorgen berichten, wenn ich Ihnen schon heute verrate, was morgen passieren wird?
Was möchten Sie Ihren Feinden, namentlich der Russischen Mafia, der La Cosa Nostra und den Koyoten sagen?
Es ist schon lange überfällig, diesen lächerlichen Krieg zu beenden.
Und was ihren Freunden, also der RVA, den Ostratten und natürlich Ihrer Familie?
Liebe Familie, liebe Genossinnen und Genossen, ich danke allen, die nach meiner schwerwiegenden Entscheidung zu mir gestanden haben und bis heute stehen. Mit euch zusammen hat die SVZO eine erfolgreiche Zukunft.
Apropos Familie: Was können bzw. vielmehr wollen Sie mir zu einem Treffen zwischen Ihnen und Ihren engsten Vertrauten in einem Osnabrücker Luxushotel Anfang Dezember 2101 sagen?
Aufgrund der Freude, daß ich kurz vorher beschließen konnte, zu Silvester 2101 den Bunker wiederzueröffnen, habe ich ganz privat mit Freunden Weihnachten gefeiert.
Und wir dachten schon, daß sie daran gearbeitet haben, kein Mafia-Pate ohne Mafia mehr zu sein ... an diesem Gerücht ist also nichts dran?
Mafia-Pate? Nein. Sehen Sie - ich bin ein sehr sozialer Mensch und wollte nicht ohne eine Familie sein. Darum habe ich sehr gerne Freunde um mich - die ich inzwischen als meine Familie betrachte. Das hat sich seit dieser kleinen Feier intensiviert. Das ist alles.
Herr Dragow, wir bedanken uns für dieses aufschlußreiche Gespräch.